Freitag, 13.09.2024
08:30 - 10:00
Hörsaal 4 Bode
S317
Zeiten von Personen mit Demenz ohne Betreuung in der langzeitstationären Pflege – eine Chance für personzentrierte Angebote?
Hintergrund: Personen mit Demenz erleben in Pflegeheimen lange Perioden ohne Betreuung und Pflege. Unklar ist, wie die Zeiten erlebt werden und wie sie gestaltet werden (könnten).
Fragestellung: Wie (er)leben Personen mit Demenz und Pflegende betreuungsfreie Zeiten und welche Hinweise liefern aktuelle Studien für eine personzentrierte Gestaltung dieser Zeiten?
Methodik: Mehrere Forschungsprojekte mit unterschiedlichen Forschungsansätzen gehen dieser Frage nach: a) Im Rahmen einer multiperspektivischen Ethnografie wurde eine Typologie der Gestaltung von betreuungsfreien Zeiten erarbeitet. b) Eine binationale Querschnittstudie untersuchte die Wahrnehmung der Pflegenden dieser Zeiten. c) In einer qualitativen Studie wurde in Fokusgruppendiskussionen die Rolle von internen Regularien in Pflegeheimen untersucht. d) Eine Prä-Post-Interventionsstudie untersucht Aktivitäten in betreuungsfreien Zeiten.
Ergebnisse: Elf vorläufige identifizierte Typen beschreiben Erleben und Handeln von Personen mit Demenz in betreuungsfreien Zeiten, z.B. sich mit Arbeit beschäftigen oder nach Bindung suchen. In der Querschnittsstudie geben Pflegenden oft an, dass sie freie Zeiten als Ruhezeiten für Personen mit Demenz wahrnehmen und dass diese meist ausserhalb der Mahlzeiten stattfinden. Die Fokusgruppen liefern Hinweise, wie interne Regularien aussehen sollten, damit sie Pflegende dazu anregen können, diese Zeiten personzentriert zu gestalten. Regularien in Form von Orientierungsrahmen können dazu führen, dass auch in primär betreuungsfreien Zeiten personzentrierte Angebote geschaffen werden. Die Prä-Post-Interventionsstudie stellt den Ansatz Fit-mit-Spaß vor und zeigt auf, dass spielerisch und langfristig Alltagsfähigkeiten und Selbstständigkeit von älteren Personen mit und ohne Demenz gefördert werden können.
Schlussfolgerungen: Das vielfältige Erleben und Gestalten von betreuungsfreien Zeiten von Personen mit Demenz zeigt die Bedeutung von Personzentrierung in Unterstützungsangeboten auf. Die Ergebnisse weisen auf unerfüllte Bedürfnisse und Unterstützungsbedarfe in diesen Zeiten hin. Mit der Verknappung von Betreuungsressourcen werden Zeiten ohne Betreuung von Personen mit Demenz weiter zunehmen. Es scheint daher unerlässlich, weiter alternative Interventionen anzudenken, wie das vorgestellte Fit-mit-Spaß. Jedoch bedarf es auch personzentrierter Organisationskulturen, damit angebotene Interventionen die konkreten Bedürfnisse der Personen berücksichtigen.
Moderation: L. Adlbrecht, St. Gallen/CH; C. Maurer, St. Gallen/CH; D. Aschwanden, Carouge/CH